L-förmige Küche. Die Arbeitsplatte ist aufgeräumt und sehr gut beleuchtet.

Wie richtet man eine Küche für sehbehinderte und blinde Menschen ein?

Feb 17, 23

Kochen und Backen ist für viele sehbehinderte und blinde Menschen eine große Freude und wichtiger Baustein der selbstständigen Alltagsbewältigung. Damit das Kochen gelingt und die Küche ein sicherer Ort ist, können Anpassungen an die individuellen Bedürfnisse nützlich sein. Hier erfährst Du, welche Vorgehensweise und Maßnahmen zur Anpassung von Küchen sinnvoll sind, damit sehbehinderte und blinde Menschen, sicher und erfolgreich kochen können.

Planung und Umsetzung

Sehbehinderte und blinde Menschen wissen oft sehr genau welchen Schwierigkeiten ihnen bei der Küchenarbeit begegnen. Sie wissen jedoch häufig nicht, wie sie zu lösen sind. Helfende Menschen im Umfeld könnten bei der Planung und Umsetzung die entscheidende Unterstützung bieten. Familienmitglieder und Freunde können dabei genauso hilfreich sein wie Fachhandwerker, Küchenbauer, Innenausstatter oder Schreinereibetriebe. Die erfolgreiche Anpassung der Küche an die Bedürfnisse einer Person mit Seheinschränkungen erfolgt am besten wie folgt:

  1. Festlegung der Zielsetzung: Die blinde oder sehbehinderte Person sollte eine klare Vorstellung davon entwickeln, welche Tätigkeiten und Arbeitsgänge sie in ihrer Küche erledigen möchte. Typische Zielsetzungen können z.B. sein:
  • Zubereitung von Fertiggerichten und einfachen Speisen zur Selbstversorgung.
  • Zubereitung von Mahlzeiten aus frischen Zutaten zur Selbstversorgung.
  • Gelegentliche Bewirtung von Familie und Freunden.
  • Tägliche Versorgung der Familie mit Mahlzeiten.

Hier ist es sinnvoll, möglichst konkrete Ziele zu definieren und zu beschreiben, welche Tätigkeiten, Arbeitsabläufe und Gerätschaften dafür notwendig sind.

  1. Problemanalyse: Die Arbeitsabläufe und Bewegungen der vormals definierten Ziele werden im Beisein der helfenden Person durchgespielt. Schwierigkeiten werden schriftlich erfasst, Arbeitsabläufe und Bewegungen von Menschen und Material können zur Verdeutlichung in Skizzen festgehalten werden. In diesem Schritt können auch schon erste Ideen entstehen, um Problemstellungen zu verbessern. Helfende Personen müssen in dieser Phase sehr gut zuhören und nachfragen um die Anforderungen genau zu verstehen. Es ist auch sinnvoll, regelmäßige Arbeitsabläufe gemeinsam durchzuspielen um festzustellen, welche Anforderungen an Arbeitsabläufe und Bewegungen (durch Kennzeichnung, Abstellflächen und Arbeitshilfen) vereinfacht werden können.
  2. Lösungsentwicklung und Umsetzung: Anhand der Ergebnisse der Problemanalyse können passende Maßnahmen zur Verbesserung geplant und umgesetzt werden. In den folgenden Abschnitten stellen wir Maßnahmen vor, die erfolgreich zur Anpassung von Küchen an die Bedürfnisse von blinden und sehbehinderten Menschen eingesetzt wurden.

Ordnungssysteme

Die Einführung und Pflege eines Ordnungssystems für alle Gegenstände in der Küche ist die Grundlage der erfolgreichen Küchenarbeit. In der Küche sollten nur die Gegenstände aufbewahrt werden, die wirklich benötigt werden. Nicht benötigte Gegenstände sollten aus der Küche entfernt werden. Jeder benötigte Gegenstand hat einen festen Platz zur Aufbewahrung.

In der Wahrnehmung einer sehenden Person führt die konsequente Umsetzung dieser Empfehlung, dass Stauräume sehr „leer“ aussehen. Genau dieser freie Platz in Schränken und Schubladen ermöglicht jedoch einer Person mit Seheinschränkungen, Gegenstände zu ertasten und wiederzufinden, ohne andere Gegenstände dabei bewegen zu müssen oder umzustoßen.

Orientierung, Kennzeichnung und Beleuchtung

Anpassungen zur Verbesserung der Orientierung müssen an die Sehfähigkeit der Nutzerin angepasst werden. Für blinde Menschen lassen sich Verbesserungen oft durch taktile oder hörbare Merkmale der Kücheneinrichtung erreichen. Menschen mit Sehrest sind oft sehr darauf bedacht, die verbleibende Sehfähigkeit einzusetzen und wünschen sich Verbesserungen, die sie dabei unterstützen.

Beispiele für Orientierungshilfen und Kennzeichnungen für blinde Personen: Schranktüren und Regalböden können mit taktilen Markierungen gekennzeichnet werden. Schranktüren lassen sich durch den Einsatz unterschiedlich geformter Griffe zuverlässig unterscheiden. Mit Hilfe von Etikettenlesegeräten lassen sich die Inhalte von Schränken und Regalen aufzeichnen und können bei Bedarf abgehört werden.

Beispiele für Orientierungshilfe für Personen mit stark eingeschränkter Sehfähigkeit: Besonders die Herstellung von Kontrasten ist hilfreich um Gegenstände erkennen zu können. So können z.B. farbige Einsätze und Überzüge für Regalböden und die Rückwände von Schränken dabei helfen, Gegenstände im Schrank besser zu erkennen. Auch der Austausch von weißem Geschirr gegen z.B. rotes oder gelbes Geschirr kann hilfreich sein. Die Anbringung von breiten, kontrastreichen Rahmen um Steckdosen und Schalter hilft, diese zuverlässig zu finden. Das Prinzip lässt sich auf alle wichtigen Elemente in der Küche übertragen. Dazu können z.B. Wasserhähne und Armaturen, Küchenutensilien oder auch andere Einrichtungsgegenstände gehören.

Eine weitere Verbesserung der Orientierung kann durch die nachträgliche Installation von Beleuchtung in den Schränken und über den Arbeitsflächen erfolgen. Dabei ist wichtig, dass nur die Gegenstände im Schrank, bzw. die Arbeitsflächen beleuchtet werden, ohne dass es zur Blendung der Nutzerin kommt. Störende Reflexionen können auch durch die Deckenbeleuchtung in der Küche durch hochglänzende Oberflächen wie Küchenfronten entstehen. Hier kann die nachträgliche Anbringung einer Folierung mit kontrastreicher aber nicht spiegelnder Oberfläche sehr nützlich sein. Die Sehfähigkeit vieler Menschen ist nicht konstant und die Anforderungen an die Beleuchtung hängt oft vom persönlichen Empfinden und äußeren Einflüssen ab. Es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Anforderungen an die Beleuchtung verändern und vom persönlichen Wohlbefinden abhängig sind. Deshalb ist es sinnvoll, bei der Installation von Beleuchtungen darauf zu achten, dass das Licht in Intensität und Lichtfarbe einstellbar ist. Besonders hochwertige Beleuchtungen können sogar in ihrer Polarisation angepasst werden.

Erwägungen bei Neuanschaffung

Mit den oben genannten Möglichkeiten lassen sich Küchen nachträglich für blinde und sehbehinderte Menschen anpassen. Wenn eine Küche ganz oder teilweise neu eingerichtet wird, stehen weitere Möglichkeiten zur Verfügung um die Kücheneinrichtung an die Bedürfnisse einer blinden oder sehbehinderten Person anzupassen.

So haben Schränke mit Schubladen und Auszügen mehrere Vorteile gegenüber den einfacheren Modellen mit Regalböden und Drehtüren. Gegenstände die in Auszügen gelagert sind, sind sehr gut erreichbar und werden von der Beleuchtung an der Decke oder des Arbeitsplatzes angestrahlt. Insbesondere sogenannte „Apothekerschränke“ mit hohen Auszügen sind wahre Raumwunder und helfen bei der Ordnung und Sortierung von Gegenständen und Lebensmitteln.

Ein großer Sicherheitsgewinn ist es, wenn die neuen Küchenschränke nicht mit Drehtüren ausgestattet sind. Diese sind im Weg und führen zu schmerzhaften Stößen und können sogar einen Sturz verursachen. Viel besser geeignet sind Schubfächer oder Schiebetüren an den Unterschränken und hochklappbare Schranktüren für die Oberschränke. Durch den konsequenten Einsatz dieser Türen wird das Risiko von versehentlichen Kollisionen von Kopf und Beinen mit den Schranktüren drastisch reduziert. Aus dem gleichen Grund sind Abzugshauben zu bevorzugen, die nicht in den Bewegungsraum des Kopfes ragen. Besonders eigenen sich sogenannte Schräghauben, die deutlich weniger Bauraum in der Tiefe benötigen und dem Koch mehr Raum in Kopfhöhe frei lassen.

Auch der Einsatz von Kontrasten zur Verbesserung der Orientierung kann bei der Einrichtung einer neuen Küche voll ausgenutzt werden. Der gezielte und abgestimmte Einsatz von unterschiedlichen Farben für die Küchenfronten, den Bodenbelag, die Arbeitsflächen, Bedienelementen, Armaturen, Steckdosen, Schaltern und Küchenutensilien eröffnet bei der Neueinrichtung viele Möglichkeiten zur Unterstützung für Menschen mit Seheinschränkungen.

Bei der Auswahl des Bodenbelags ist nicht nur der Kontrast wichtig. Beläge mit erhöhter Trittsicherheit und Rutschfestigkeit erhöhen die Sicherheit bei der Arbeit.

Sicherheit

Die Arbeit in der Küche birgt verschiedene Gefahrenquellen. Missgeschicke und Verletzungen haben dabei zwei negative Effekte. Neben den direkten Schäden können Unfälle auch dazu führen, dass eine Person den Mut und die Zuversicht verliert, selbstständig zu kochen. Um die Arbeit in der Küche möglichst sicher zu gestalten, gibt es einige bewährte Vorgehensweisen:

Spitze und scharfe Gegenstände

Messer, Scheren und andere Gegenstände mit Spitzen oder Schneiden sollten so aufbewahrt werden, dass keine Gefahr durch versehentliches Berühren oder Hineingreifen besteht. Ideal zur dauerhaften Aufbewahrung sind Messerblöcke oder spezielle Halterungen geeignet, die Schneiden und Spitzen abdecken. Die Schneide von Messern stellt besonders während des kurzen Ablegens bei Gebrauch eine Gefahr dar. Während des Kochens kann es schnell passieren, dass man das Messer zur Seite legt und dann versehentlich bei hantieren in die Schneide greift. Um die Gefahr zu vermeiden ist es sinnvoll, einen gesonderten Ablageort für Messer zu wählen. So bietet z.B. ein flacher rechteckiger Kasten, in dem sich Messer und Fleischgabeln nicht drehen können, einen geeigneten Ablageort. Wenn der Kasten zusätzlich einen Stellplatz abseits der regulären Arbeitsfläche hat, so ist die Gefahr für Schnittverletzungen deutlich reduziert.

Verbrennungen und Verbrühungen

Die Handhabung von heißen Gegenständen und Flüssigkeiten birgt das Risiko für Verbrühungen und Verbrennungen. Kurze Wege zwischen dem Herd und dem Spülbecken verringern die Möglichkeit heißes Wasser beim Abgießen zu verschütten. An einer Spülbeckenarmatur mit Thermostatregler kann die Wassertemperatur einfach und bequem angepasst werden, ohne dass unerwartet heißes Wasser aus dem Hahn läuft. Ausreichend Abstellflächen und stets griffbereite Schutzhandschuhe helfen dabei, heiße Gegenstände ohne Gefahr anzufassen.

Rutschige und glatte Flächen

Flüssigkeiten und Öle können versehentlich auslaufen und den Fußboden rutschig werden lassen. Verschiedene Vorkehrungen verhindern Unfälle durch Rutschen. Abschlussleisten und Schwallrinnen an den Kanten der Arbeitsflächen halten Flüssigkeiten zurück und verhindern, dass sie auf den Fußboden laufen. Ein Rahmen um das Kochfeld verhindert das unkontrollierte Abfließen von überkochenden Flüssigkeiten und verhindert, dass Kochgeschirr versehentlich vom Kochfeld geschoben wird. Informationen zu geeigneten Herden gibt es hier. Auf dem Boden sorgen Antirutschmatten für einen sicheren Halt, auch wenn sie nass oder ölig sind. Hausschuhe mit festem Stand und rutschsicherer Sohle sollten selbstverständlich sein. Hinsichtlich anderer Gefahrenquellen sind Schuhe zu bevorzugen, die geschlossen sind und den Fuß und die Zehen schützen.

Hindernisse

Kopf, Arme, Hüfte und Schienbeine sind besonders stoßgefährdet, wenn Hindernisse im Weg sind. Neben schmerzhaften Stoßverletzungen besteht auch die Gefahr von Stürzen durch Hindernisse. Gehwege und Bewegungsflächen sollten kompromisslos freigeräumt werden. Besonders wichtig ist dabei, alle Hindernisse in Kopfhöhe zu beseitigen. Ecken und Kanten, die in den Raum ragen sollten abgerundet und gegebenenfalls abgepolstert werden.

Fallende Gegenstände

Während der Handhabung Geschirr, Gläsern und Lebensmitteln kann es schnell passieren, dass Gegenstände herunterfallen. Rutschfeste Matten auf Regalböden und kleine Abschlussleisten an der Vorderkante von Abstellflächen verhindern versehentliches Herunterfallen durch Verschieben. Ausreichend Platz zum Ertasten der Gegenstände in Schränken und Regalen bei der Bestückung von Stauräumen verhindert zusätzlich, dass Gegenstände versehentlich herunterfallen. Eine separate Zone in der Nähe des Arbeitsbereiches erlaubt es, benötigte Utensilien und Zutaten bereitzustellen. So wird das Suchen und Ausräumen während der Arbeit vermieden und die Wahrscheinlichkeit von fallenden Gegenständen reduziert. Robuste Hausschuhe mit Zehenschutz schützen im Fall der Fälle vor Verletzungen durch herunterfallende Gegenstände.

Vorbereitung auf Unfälle

Trotz aller Vorsichtsmaßnahmen können Missgeschicke und Unfälle vorkommen. Die zielgerichtete Vorbereitung hilft, im Ernstfall richtig zu reagieren. Pflaster, Verbandszeug, sowie Medikamente zur Brand- und Wundversorgung sollten griffbereit aufbewahrt werden. Der Umgang mit den Mitteln der Ersten (Selbst-)Hilfe sollte in jedem Fall geübt werden, so dass die Handgriffe im Notfall leichter ausgeführt werden können. Zu der Einübung der notwendigen Schritte kann es auch sinnvoll sein, Unfallsituationen durchzuspielen um sichernde Maßnahmen wie das Ausschalten von Herd und Ofen und dem Schließen des Wasserhahns einzuüben. Wie der Verbandskasten sollten auch die Utensilien zur Beseitigung von Missgeschicken griffbereit sein. Schnittschutzhandschuhe, Feger, Kehrblech, Besen, Eimer, Aufnehmer sowie Hand- und Putztücher sollten in Reichweite sein, um Scherben, Lebensmittel und Flüssigkeiten vom Boden aufzunehmen.

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